Warten, dass Gottes Geist einbricht und aufrüttelt

Gedanken zu Apg 1, 12-14

Der kleine Abschnitt aus der Apostelgeschichte, den wir als Lesung gehört haben, lenkt den Blick auf die kleine Gruppe der Freundinnen und Freunde Jesu. Seit dem Tag, an dem Jesus ihnen zum letzten Mal erschienen ist – wir nennen dieses Ereignis „Christi Himmelfahrt“ -, haben sie sich, noch immer total durcheinander, in das Obergeschoss eines Hauses zurückgezogen. Sie haben Angst, von der jüdischen Obrigkeit auch verhaftet zu werden, versuchen sich gegenseitig Mut zuzusprechen und all die verwirrenden Erfahrungen zu verarbeiten, die sie in den vergangenen Wochen machen mussten. ER ist nicht mehr da. Haben sie nur geträumt, dass er von den Toten auferstanden ist? Es waren ja immer nur kurze Momente, in denen sie ihn zu sehen glaubten. Und oft erkannten sie ihn zuerst nicht einmal: Unsicherheit und Zweifel blieben.

Aber sie hatten auch seine Stimme gehört, seine Nähe gerade dann gespürt, wenn sie ihre Erinnerungen lebendig werden ließen beim Beten zum Vater im Himmel, beim Brechen des Brotes, beim Fischfang am See.

Da war etwas anders geworden: Jesus war nicht mehr Tag für Tag bei ihnen, aber dennoch spürten sie hin und wieder ganz deutlich seine Nähe, wussten: Er ist da, auch wenn man ihn nicht sieht.

Und die Erinnerungen an die Jahre mit Jesus lassen Neues aufbrechen. Weil Judas weggegangen war, ergänzen sie den Zwölferkreis, den Jesus gesammelt hatte. Aber es kann nur einer an die Stelle des Judas treten, der die ganze Zeit mit ihnen zusammen war, „als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, angefangen von der Taufe des Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und aufgenommen wurde“.

Da ist schon etwas in Bewegung gekommen, da haben die Worte Jesu, als er von dem Beistand sprach, den er ihnen senden werde, schon angefangen, Wirkung zu zeigen.

Aber noch fehlt der zündende Funke.

In einer Woche werden wir dann im Gottesdienst hören, dass der Geist Gottes gleich einem Hurrican durch diese kleine Gruppe fährt, das ganze Haus erschüttert, in dem sie sich aufhalten; dass Feuer ausbricht, donnerndes Getöse bis ins Mark erschreckt und sich draußen auf einmal hunderte Menschen zusammendrängen, um zu sehen und zu hören, was da los ist. Und sie schauen in lachende, verzückte Gesichter, begeistert durcheinander redende Münder.

Wenn wir die Vorgeschichte und die Folgeberichte dieses kleinen Abschnittes aus der Apostelgeschichte mitlesen, dann fällt auf diese Gruppe im Obergeschoss des Hauses in Jerusalem neues Licht.

Dann ist dieses Warten und Beten etwas höchst Aktives:

leer werden von allen bisherigen Vorstellungen und Bezugspunkten,

Kraft ansammeln, um zu einem bestimmten Zeitpunkt, den sie nicht selbst bestimmen können, bereit zu sein für den Einbruch des Geistes

Ihn mit sich machen lassen, damit Gottes Vision Wirklichkeit wird.

Da ist doch auch unsere Situation ganz ähnlich:

Viele sind in mehrfacher Weise verunsichert, durch die Corona Krise, die uns täglich vor neue Herausforderungen stellt, durch die ungelösten Fragen in der Pfarrei, durch die Sorge, wie wir den Kontakt halten zu denen, die bisher am Gemeindeleben mitmachten, zu denen, die getauft sind, aber nur punktuell auf uns zukommen; die Sorge um junge Menschen, die doch künftig Kirche leben müssten.

Wir dürfen aber auch an unseren eigenen Glaubensweg denken; an die Zeiten und Augenblicke, in denen wir die Nähe Gottes gespürt haben; wo wir ruhiger und getröstet aus einem Gottesdienst, aus einer Begegnung mit Glaubensgeschwistern nach Hause gekommen sind.

Da gibt uns dieser kleine Abschnitt der Apostelgeschichte einen Rippenstoß.

Es gilt jetzt einfach zu warten; da zu sein – ganz aktiv; offene Schale zu werden, die der Geist Gottes füllen kann.

Dass der Weg in die Stille, in die Wüste führt, bevor einer öffentlich zu reden und handeln beginnt, finden wir bei vielen prophetischen Gestalten: bei Mose, Elija, Johannes dem Täufer, bei Jesus und auch bei Paulus.

Auch unser Inneres, das, was unser eigentliches Wesen ausmacht, muss sich mit Gott und seinem Geist verbinden. Er will nicht wie ein Automat Menschen benutzen, sondern will unseren Mut, mit Gottes Geist mitzuwirken.

Um diesen Mut sollen wir bitten in dieser Woche vor Pfingsten wie die kleine Gruppe in Jerusalem.

Dann wird Gottes Geist auch in uns hineinfallen und mit uns Dinge tun, mit denen wir nie gerechnet hätten.