Was tun, wenn Kirche nicht mehr systemrelevant?

Gedanken zu Apg 8, 5-17

Christen, die Begeisterung ausstrahlen, die deshalb neugierig machen und – wenn sie gefragt werden – offen von ihren Erfahrungen erzählen; Gemeinden, die durch ihren Zusammenhalt und ihre tatkräftige Nächstenliebe auffallen …

Könnte das nicht vielen Menschen Mut machen für ihr persönliches Leben, für ihr soziales Engagement und für ihre Einstellung zur Kirche?

In der Lesung hörten wir, wie die junge Gemeinde der Jesus-Anhänger in Jerusalem erbittert verfolgt wird. Die aus Jerusalem Vertriebenen zogen in kleinen Gruppen durch das Land und verkündeten das Evangelium. Besonders Philippus konnte durch seine Verkündigung in Samaria Frauen und Männer für den neuen Weg gewinnen.

Die Samariter galten bei den Frommen als abtrünnig. Da erstaunt es, dass die Anhänger Jesu dort von ihm erzählen, von seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung. Vielleicht war aber gerade deshalb die Aufmerksamkeit der Samariter so groß, weil hier Juden begeistert von ihren Erfahrungen mit einem neuen Weg sprachen.

Als die Apostel davon hörten, wie besonders Philippus dort erfolgreich war, schickten sie Petrus und Johannes dorthin. Die beteten mit den neuen Anhängern um die Gabe des

Hl. Geistes; und als sie ihnen die Hände auflegten, wurden sie von Begeisterung erfüllt.

Die Erfahrung des Hl. Geistes war allen so bedeutsam, dass immer wieder in der Apostelgeschichte Missionserfolge auf sein Wirken zurückgeführt werden, und zwar nicht nur bei den Juden, die zunächst die ersten Adressaten der Jesus-Leute waren und die ja die Verheißungen über den Messias kannten, sondern auch bei den Samaritern, mit denen die Frommen jeden Kontakt mieden, und bei Heiden, die von den Juden verachtet wurden.

Und immer wieder spielt beim Blick auf den neuen Weg das Zusammenleben eine Rolle, der Dienst an den Schwachen, an den Kranken, an den ankommenden Fremden.

Die frühen Christengemeinden haben keine Berührungsängste: Sklaven und Freie gehören dazu, Arme und Reiche, Frauen und Männer.


In der anderen Lesung, die wir heute nicht gehört haben, heißt es von den Christen:

Seid stets bereit, jedem zu antworten, der euch wegen der Hoffnung, in der ihr lebt, zur Rede stellt; aber antwortet bescheiden …“

Das heißt: Begeisternde Christen leben nicht nur eine plurale Gemeinschaft, in der niemand Not leidet, sondern sie können auch sagen, dass die Auferstehung Jesu ihr Leben verändert hat und sie weiterhin prägt.

Nun geht es aber nicht darum, nur in die Geschichte zu schauen, sondern aus diesen Schriften Anregungen und Herausforderungen für heute zu entdecken.

Der Jesuitenpater und Redakteur von Vatican News Bernd Hagenkord spricht in diesen Tagen davon, dass Kirche nicht mehr systemrelevant sei.

Seine These:

Wir erleben gerade so etwas wie eine „Entkirchlichung auf Probe“. Was wir jetzt durchlaufen, wird in zehn Jahren normal sein. Nicht wegen Corona, aber wegen riesiger Pfarreien, abnehmender Gläubigenzahlen, immer weniger Messfeiern, aufgegebener Kirchen und eines wachsenden Desinteresse an allem, wofür Kirche steht. Kirche wird auf absehbare Zeit – wie jetzt im Augenblick erlebbar – kein Player sein. Innerkirchlich werden wir uns über Eucharistie und Messfeier streiten, aber draußen interessiert das immer weniger Menschen. Und die Weitergabe des Glaubens an die nächste Generation passiert so schon gleich gar nicht.“

Also düstere Aussichten für die Zukunft?

Die Lesungen machen uns Mut, auf den Geist Gottes zu setzen, der auch heute noch wirkt.

Ist das nur eine vage Hoffnung?.

Schauen wir doch mal in die letzten 20 Jahre, welche Aufbrüche wir erlebt haben. Ist das alles vergessen?

Vor 20 Jahren haben weit voraus schauende Christen die Jugendkirche TABGHA gegründet. Manche erinnern sich noch an den begeisternden Eröffnungsgottesdienst mit dem alten Bischof Hubert Luthe, der nachher überwältigt und staunend sagte: „Auch so kann man Gottesdienst feiern“.

Wir haben erlebt, wie so die Jugendwelt in die Kirche geholt wurde: mit Skater-Events, Kletterwänden und Musicals.

Bis in die letzte Zeit haben wir mit jungen Menschen in TABGHA Ausstellungen und Theateraufführungen besucht, uns in spannenden zwei Stunden aus Escape-Räumen befreit.

Wir haben bis in die letzten Jahre spirituelle Freizeiten in Burgund, in Assisi, in den Cevennen durchgeführt, die jungen Menschen geistliche Orte wie Vezelay, Taize, Assisi nahebrachten, die sie Messfeiern im kleinen Kreis erleben ließen.

Wir luden Familien zu Freizeiten ein, in denen Kinder und Jugendliche neue Freundschaften schlossen und Erwachsene über ihre Glaubenserfahrungen ins Gespräch kamen.

In der Theatergruppe der KjG werden nicht nur Stücke auf die Bühne gebracht, sondern da passiert auch Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen und mit unserem Glauben.

Immer noch treffen sich Kinder und MessdienerInnen zu Aktionen und Exkursionen und erleben so Gemeinde als Gemeinschaft von Gleichgesinnten.

Wir erleben gerade jetzt, wie sich Ehrenamtliche mit ungeheurem Einsatz bemühen, dass Gemeinde auf der Schwarzen Heide lebendig bleibt.

Wir feiern seit langem Familiengottesdienste, in denen – nicht immer, aber doch manchmal – die Begeisterung durch Musik und Bewegung die ganze Kirche erfasst.

Ich träume davon, dass Jüngere, Ehrenamtliche wie Hauptberufliche, sich kundig machen bei jungen Menschen, was sie bewegt, was sie ängstigt und was sie hoffen lässt; wie sie nach Gott fragen und wie sie ihr Suchen nach außen tragen möchten.

Ich hoffe, dass wir weiterhin über Musik, Kunst, Literatur

Wege finden zu denen, die nach Sinn suchen, aber durch unsere Verkündigung und Gottesdienste nicht angesprochen werden.

Vermutlich müssen wir raus aus den Kirchenräumen – und das passiert ja auch mittlerweile gezwungermaßen – und mitten im Alltagsleben nach Spuren Gottes und seines Geistes suchen und fragen.

Ich bin davon überzeugt, dass sich auch heute in Oberhausen wie damals in Samaria Leute anstecken lassen von Christen, die ihren Glauben begeistert leben.