Wagen wir uns als Christen auf einen neuen Weg?

Gedanken zu Joh 14 am 5. Ostersonntag

Wir lesen in den Wochen zwischen Ostern und Pfingsten aus der Apostelgeschichte; da werden die Ereignisse nach Ostern und Pfingsten erzählt, über die Auseinandersetzungen mit den jüdischen Gesetzeslehrern und dem Hohen Rat berichtet. Und auch von Verfolgungen, Gefängnis und Tod ist die Rede.

So heißt es nach der Steinigung des Stephanus:

Saulus aber versuchte die Kirche zu vernichten; er drang in die Häuser ein, schleppte Männer und Frauen fort und lieferte sie ins Gefängnis ein. Die Gläubigen aber, die zerstreut worden waren, zogen umher und verkündeten das Wort.

Saulus wütete immer noch mit Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn. Er ging zum Hohenpriester und erbat sich von ihm Briefe an die Synagogen in Damaskus, um die Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen, die er dort finde, zu fesseln und nach Jerusalem zu bringen.

Anhänger des neuen Weges wurden die genannt, die sich der Gemeinde anschlossen.

Einen neuen Weg gehen wollten sie, die an Jesus als den Auferstandenen glaubten.

Wo hatte der begonnen?

In derselben Apostelgeschichte wird von einer Versammlung kurz vor Pfingsten im Saal von Jerusalem berichtet, in der nach dem Tod des Judas sein Apostelamt neu besetzt werden soll.

Und da sagt Petrus:

Einer von den Männern, die die ganze Zeit mit uns zusammen waren, als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und in den Himmel aufgenommen wurde, – einer von diesen muss nun zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein.“

Da wird deutlich, wann dieser neue Weg begonnen hat:

als Jesus öffentlich auftrat und vom Reich Gottes predigte.

Wenn wir den neuen Weg beschreiben wollen, dann fallen besonders die Begegnungen auf, wo Jesus die vielen Regeln und Verbote seiner Religion hinterfragt; sich über Gesetze hinwegsetzt, weil er zuerst den Menschen sieht. Wir staunen über seine Freiheit, mit der er Tabus durchbricht, mit Frauen und Männern als Rabbi unterwegs ist, mit Sündern und Zöllnern spricht und sogar mit ihnen isst, keine Berührungsängste hat, mit heidnischen Soldaten und samaritischen Frauen ins Gespräch zu kommen.

Der neue Weg des Jesus von Nazaret beginnt schon da. Und in seiner Konsequenz führt er letztlich auch zu seinem Tod.

Nur, und davon ist die Apostelgeschichte voll:

mit seinem Tod beginnt erst die Geschichte vom neuen Weg sich zu verbreiten und bekommt erste Strukturen.

Die frühen Christen betonten: Glauben ist ein Weg.

Und Jesus spricht im Johannes-Evangelium ebenfalls davon.

Und er verdeutlicht: Er selber ist der Weg. Wer seine Worte hört und tut, wer sich an seinen Zeichen und Handlungen ausrichtet, der ist auf dem Weg Jesu.

Und dieser Weg führt zum Vater.

Ich denke, damit ist auch die power erklärt, mit der die junge Gemeinde der Glaubenden verkündet und lebt.

Ziel ist nicht irdische Macht; Ziel sind nicht Ruhm und Anerkennung. Der Weg des Jesus von Nazaret ist der Weg des Dienens, der selbstlosen Liebe.

Deshalb werden schon ganz zu Anfang die Diakone eingesetzt, die eines der wesentlichen Merkmale von Kirche-sein verkörpern: den Dienst an den Schwachen, Kranken und Armen – welch Vorbild für heute in der jetzigen Krisensituation!

Und noch ein Satz Jesu erhellt, so meine ich, auch unser Verständnis von Kirche.

Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen.“

Das verstehe ich als Plädoyer für Pluralität. Der Weg der Christen ist nicht für alle gleich.

Weil Jesus der Weg ist und jede und jeden Einzelnen auf seinen Weg lockt, gibt es so viele Wege wie es Christinnen und Christen gibt.

Und eine jede und ein jeder wird zur eigenen Fülle des Lebens finden, die im Haus des Vaters erfahrbar wird.

Wer gut zuhört, mag schon ganz früh bei Johannes am Ende des

1. Jahrhunderts eine leise Kirchenkritik heraushören, die sicher durch die folgenden Jahrhunderte lauter geworden ist.

Nicht die Kirche ist d e r Weg zum Haus des Vaters, und nicht sie kann die Wege festlegen, wie jemand dahin kommen kann, sondern Jesus allein ist d e r Weg, und Kirche darf nur auf diesen Weg zu weisen versuchen, diesen Weg öffnen und anbieten. Sie muss sich davor hüten, sich selber als den Weg auszugeben, womöglich noch als einzigen Weg.

Das Zuhause, wo wir uns frei, geliebt und verstanden wissen, hat für jeden Menschen eine andere Ausmalung. Deshalb ist es tröstlich zu wissen: „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen.“