Das Passwort meines Lebens

Gedanken zu Lk 3,10-18

Zurzeit spielen Pässe und Identitätsnachweise eine große Rolle. Menschen, die nach langer Odyssee unser Land erreichen, werden registriert. Sie müssen sagen, wie sie heißen und woher sie kommen. Sie müssen, falls vorhanden, Pässe vorlegen; wenn alles ordnungsgemäß passiert, werden biometrische Fotos gemacht, und es wird ein Fingerabdruck genommen. Die USA verlangen schon seit längerem zur Einreise biometrische Passfotos und Fingerabdruck.

Identitätsnachweis durch einen Passfoto ist das Mindeste, was bei Reisen, in Banken und bei staatlichen Stellen erfolgen muss.

Wir kennen auch Passwörter und Pins, um Zugang zum Netz, zum Konto, zu Hoteleingängen zu erhalten.

Offensichtlich sind Passfoto, Fingerabdruck und Passwörter eine Möglichkeit, einen Menschen eindeutig zu erkennen; notfalls muss auch noch ein Genabdruck gemacht werden

Im Nachlass von Romano Guardini, einem großen Theologen des vorigen Jahrhunderts, findet sich die Aufzeichnung eines Traumes, den er am 01.08.1964 hatte.

 „Heute Nacht, aber es war wohl morgens, wenn die Träume kommen, dann kam auch zu mir einer. Was darin geschah, weiß ich nicht mehr, aber es wurde etwas gesagt, ob zu mir oder von mir selbst, das weiß ich nicht mehr. Es wurde also gesagt, wenn der Mensch geboren wird, wird ihm ein Wort mitgegeben, und es war wichtig, was gemeint war, nicht nur eine Veranlagung, sondern ein Wort. Das wird hineingesprochen in sein Wesen, und es ist wie das Passwort zu allem, was dann geschieht. Es ist Kraft und Schwäche zugleich. Es ist Auftrag und Verheißung. Es ist Schutz und Gefährdung. Alles, was dann im Gang der Jahre geschieht, ist Auswirkung dieses Wortes, ist Erläuterung und Erfüllung. Und es kommt alles darauf an, dass der, dem es zugesprochen wird, – jeder Mensch, denn jedem wird eins zugesprochen – es versteht und mit ihm ins Einvernehmen kommt.“

Was Guardini meint: Es geht für jeden von uns darum, jenes Passwort zu finden, das nur mir von Gott zugesprochen ist. Aber es ist nicht einfach dieses Wort, das Zugang zu meiner ureigenen Berufung ist, zu finden. Das kann gelingen, wenn ich mich immer wieder in die „Wüste“ begebe wie Johannes; Zeiten der Stille, des Nachdenkens, des Wartens auf Ereignisse, die mich verändern, frei halte.

Ich brauche auch immer wieder Bestätigung durch andere, durch Menschen, die an mir Interesse haben; mit denen ich mich auseinandersetze; die mir helfen, im Gespräch und Austausch meine Lebenslinie klarer zu erkennen.

Und wenn ich glaube, mein Passwort gefunden zu haben, dann muss ich anfangen, es zu leben.

Das ist schwer, gefährlich, aber ermutigend zugleich; das  macht froh und ausgeglichen.  Dann kann mich nichts beirren, diesen meinen Weg zu gehen.

Ich glaube, dass Johannes der Täufer,  der heute vor unsere Augen gestellt wird, sein Passwort gefunden hat. Er wies jede Spekulation zurück, er sei der Messias, der mit Gottes Macht Veränderung im Land herbeiführen werde; er sperrte sich gegen Personenkult und Machtgehabe, sagte:

„Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft: Ebnet den Weg für den Herrn.“

Er ging seinen Weg: Viele bewunderten ihn, weil sie gerne seine Kritik am religiösen und gesellschaftlichen System hörten und irgendwie merkten, dass eine Umkehr nötig sei. Viele wurden nachdenklich, als sie nach den Konsequenzen der Umkehr fragten:

„Was sollen wir tun? Er antwortete ihnen: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eins davon dem, der keins hat, und wer zu essen hat, der mache es ebenso … fordert nicht mehr, als euch erlaubt ist … misshandelt niemand, erpresst niemand ..“

Und   manche merkten, das Gottes Geist diesen Mann gepackt und geschickt hatte, den Stärkeren anzukünden, mit dem das Reich Gottes anbrechen würde.

Johannes lebte sein Passwort durch Zweifel und Gegnerschaft hindurch, litt darunter, aber vertraute bis zum Tod seinem Gott, dessen Stimme er bei der Taufe Jesu im Jordan gehört hatte.

Wir sind nie ganz sicher, ob wir es wirklich gefunden und bis ins Letzte verstanden haben. Aber es gibt Indizien, dass wir auf dem richtigen Weg sind: innere Ruhe, Ausgeglichenheit, Gelassenheit.

Da sehe ich auch die große Chance aller katechetischen Begleitung: über lange Zeit Menschen nahe zu bleiben, nicht unsere Lebens- und Glaubensformen aufzudrücken, sondern anzubieten, etwas abzulesen von der Freude des Evangeliums, von der Kraft, die daraus erwachsen kann; nachdenklich zu machen, anzuregen, immer weiter zu suchen.

Herr, gib allen, die dich suchen,

dass sie dich finden,

und allen, die dich gefunden haben,

dass sie dich aufs neue suchen,

bis all unser Suchen und Finden

erfüllt ist in deiner Gegenwart.

Hermann Bezzel