Ohnmacht und Hoffnung

Gedanken zu Jer 20 und Mt 10, 26-33

Die Lesung passt in unsere Zeit.

Unsere Gesellschaft polarisiert immer mehr. Im Netz toben sich die aus, die alles besser wissen und vor allem keine andere Meinung gelten lassen. Im Straßenverkehr nimmt die Rücksichtslosigkeit zu. Trotz aller Zeichen der Solidarität in der Corona-Krise vertreten viele Politiker, Wirtschaftler und Gruppen vor allem ihre eigenen Interessen.

Ich höre das Flüstern der vielen. Grauen ringsum. Zeigt ihn an! Wir wollen ihn anzeigen.“

Schlage ich die Zeitung auf, schalte ich den Fernseher an: kein Tag ohne eine Nachricht, dass wieder ejn Kind missbraucht, jemand seinen Partner getötet, in einem Streit andere verletzt oder sogar getötet hat.

Da fühle ich mich auf einmal ohnmächtig, ausgeliefert, ohne die Zuversicht, dass ich noch etwas ändern kann; dass sich Menschen finden, die anders denken und handeln, die sich als abrahamitische Minderheit, wie Helder Camara einmal sagte, sich zusammenfinden, um ein Gegengewicht gegen eine harte und kalte Gesellschaft zu bilden.

Wenn ich die Sätze beim Propheten Jeremia noch hinzunehme, die vor dem Text der heutigen Lesung stehen, dann wird die Verzweiflung des Menschen, der Jahwe, seinem Gott geglaubt hat, noch deutlicher.

Du hast mich betört, Herr, und ich ließ mich betören; du hast mich gepackt und überwältigt. Zum Gespött bin ich geworden den ganzen Tag, ein jeder verhöhnt mich. Ja, so oft ich rede, muss ich schreien, „Gewalt und Unterdrückung“ muss ich rufen. Denn das Wort des Herrn bringt mir den ganzen Tag nur Spott und Hohn. Sagte ich aber: ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen sprechen, so war es mir, als brenne in meinem Herzen ein Feuer, eingeschlossen in meinem Innern.“

Und kurz hinter dem Text, den wir eben als Lesung gehört haben, spricht der Prophet: „Verflucht der Tag, an dem ich geboren wurde; der Tag, als meine Mutter mich gebar, sei nicht gesegnet. Verflucht der Mann, der meinem Vater die frohe Kunde brachte: Ein Kind, ein Knabe ist dir geboren, und ihn damit hoch erfreute.“

Vielleicht finden Sie sich auch persönlich in einer dieser beschrieben Ohnmachts-, Zornes und Verzweiflungs- situationen wieder.

Sicher nicht zu verglechen mit Auswüchsen in unserem gesellschaftlichen Umfeld: aber die Lage unserer Kirche, die Ungewissheit über die Zukunft unserer Gemeinde mögen auf Sie ähnlich wirken.

Wo bleibt da die Frohe Botschaft des Jesus von Nazaret?

Lesen wir weiter beim Propheten, wird auf einmal eine Hoffnung formuliert, da wirft sich einer voll Vertrauen in die Arme Jahwes.

Doch der Herr steht mir bei wie ein gewlatiger Held. … denn dir habe ich meine Sache anvertraut. Ja, singt dem Herrn: denn er rettet das Leben des Armen aus der Gewalt der Übeltäter.“

Und dann lese ich das Evangelium noch einmal mit anderen Augen: „Fürchtet euch nicht … Verkauft man nicht zwei Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen meines Vaters. Fürchtet euch also nicht: Ihr seid mehr wert als alle Spatzen zusammnen.“

Ihr hier in Liebfrauen seid Gottes geliebtes Volk; eure Zukunft liegt in der Hand des Vaters und seines Leben spendenden Geistes.

Ihr Christinnen und Christen in einer sich rasend verändernden Welt seid Zeichen und Garanten einer anderen Lebenshaltung, einer künftigen Weltgemeinschaft, in der alle zu ihrem Recht kommen, Arme und Reiche, Schwache und Starke, Frauen und Männer.