1000 Stunden Reli-Unterricht machen noch keinen Glauben

Gedanken zu Joh 20,24-29

Thomas will an das Geschehen, das alle Erfahrung auf den Kopf stellt, mit dem Verstand und seinen Sinnen herangehen. Das kann so nicht gelingen.

Schon die zwei, die von Jerusalem nach Emmaus gingen, erkannten den Auferstandenen erst, als er beim Mahl das Brot mit ihnen teilte – nicht bei den Gesprächen unterwegs beim Austausch ihrer Ängste und Hoffnungen.
Und am Abend des ersten Wochentages werden die Freunde Jesu erst davon überzeugt, dass er lebt, als er sie anhaucht und ihnen die Gabe des hl. Geistes mit-teilt.

In vielen Auferstehungsberichten ernten die, die von ihren Begegnungen am leeren Grab erzählen, nur Kopfschütteln, Ablehnung, ja sogar Spott.
Wie schon an den Menschen, die die Zeichen Jesu zu seinen Lebzeiten sahen, das Eigentliche vorbeiging und nur wenige darin die Herrlichkeit Gottes aufleuchten sahen, so sind auch nach der Auferstehung Jesu viele blind für die Zeichen seiner Gegenwart und seines Geistes. Am Pfingsttag hält die Menge die Apostel, die von der Auferstehung Jesu sprechen, für betrunken; als Jesus dem Paulus vor Damaskus begegnet, glauben seine Begleiter nur Donnergrollen zu hören.

Mit dem Verstand kommt niemand an das Geheimnis der Auferstehung heran, und auch die Sinne können keine verlässlichen Signale dieser Wirklichkeit empfangen.

Erst die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus selbst lässt sie glauben. Und die ist eine liebende Begegnung von Herz zu Herz, geht nicht über den Kopf, sondern über das innere Auge des Glaubens.

Diese Überlegung scheint mir deshalb wichtig, weil sie uns in der Liturgie, in der Katechese und der Gemeindearbeit vor Überforderungen und falschen Erwartungen bewahren kann.

Viele Stunden katechetischer Unterweisung, hunderte Stunden Religionsunterricht, die tollsten Bildungsangebote können nicht den Weg in das Geheimnis öffnen, wenn sie nicht in Erfahrungen gründen und das Herz anrühren.
Sie können und dürfen nur Bemühungen sein, die auf die Spur setzen. Das Eigentliche passiert zwischen dem einzelnen Menschen und dem Auferstandenen.

Maria von Magdala meint, am leeren Grab den Gärtner zu sehen, der sie wenigstens noch zu dem toten Leib führen kann. Erst als der Auferstandene sie bei ihrem Namen nennt: „Maria“, treffen sein Wort und sein Blick sie ins Herz – und sie glaubt.

Als Jesus Thomas direkt anspricht und zu ihm sagt: „Komm, leg deine Finger in die Male meiner Nägel und deine Hand in meine Seite“, bewirken diese Gesten das Erkennen, und er kann nur noch stammeln: „Mein Herr und mein Gott!“

Was wir in den Auferstehungsberichten immer wieder lesen, zwingt uns dazu, über unsere Hinführung zum Glauben nachzudenken und sie an verschiedenen Stellen zu verändern.

Wenn Kommunionkinder Brot backen, bei Aktionen sich die Füße müde laufen, sich am Gründonnerstag in lautloser Stille die Füße waschen lassen; wenn sie Katechetinnen erleben, die ihnen zuhören, sie anregen und trösten und dabei ihr eigene Lebensgeschichte einfließen lassen, wenn sie gemeinsam essen, dann erfahren sie etwas von der Gemeinschaft der Glaubenden und können vielleicht ahnen, dass dann Jesus unsichtbar bei ihnen ist.

Wenn Jugendliche bei Stillhaltepunkten, auf Freizeiten in Taize, in Assisi oder Vezelay Jugendlichen und Erwachsenen begegnen, die in die Stille eintauchen und sich von ganz einfachen Worten und Liedern treffen lassen, dann kann ihnen eine Ahnung aufgehen, wie der Auferstandene durch seinen Geist Menschen verändern und selbst zu Verkündern machen kann.

In der frühen Kirche gab es die mystagogischen Katechesen. Taufbewerber sollten durch Gesten und Handlungen etwas von der geheimnisvollen Wirklichkeit erahnen, die hinter den Zeichen war. Hin und wieder wurden diese Zeichen gedeutet, aber erst einmal sollten die Menschen die den Zeichen innewohnenden Impulse aufnehmen und spüren, was sie mit ihnen machen.

Mir scheint, dass wir in einer Zeit, die technik-verliebt und Erfolgs programmiert ist, solche Zeichen neu entdecken und praktizieren müssten: das gemeinsame Essen und Trinken, das Sitzen um ein Feuer, Singen und Tanzen, Erzählen und Zuhören – all das kann in uns Saiten zum Klingen bringen, die etwas von dem Geist des Auferstandenen ahnen lassen, durch den Er heute bei uns sein will.

Und nicht zu vergessen ist dabei die Dimension, die gerade bei der Erzählung von der Begegnung zwischen Thomas und Jesus eine Rolle spielt. Jesus verweist auf seine Wundmale. Als Thomas die Wunden berührt und die Stimme Jesu hört, kann er nur noch stammeln: „Mein Herr und mein Gott!“
Auferstehungserfahrungen, neue Kraft schöpfen, Glauben leben geht oft über die Begegnung mit den Armen oder mit kranken und leidenden Menschen.