Aus Frust wird Lust – eine fiktive Aktualisierung zu Elija in 1 Kön 19,4-8

Elija heißt heute Mara.

Sie lebt in einer Stadt im Ruhrgebiet. Das Viertel, in dem sie wohnt, hat bessere Tage gesehen. Die Häuser wirken  vernachlässigt, eine Reihe Geschäfte stehen leer. In ihrer Straße wohnten schon immer einfache Arbeiterfamilien, jetzt oft nur noch Frauen; die Männer sind vor einigen Jahren schon gestorben – Bergarbeiter, Hüttenwerker mit Silikose und Berufskrankheiten,  die Kinder sind  weggezogen, kommen hin und wieder zu Besuch. Hinter den Häusern gibt es kleine Gärten wie früher bei vielen Zechensiedlungen oder Hütten- häusern. Mara ist in Polen geboren, aber in Deutschland aufgewachsen. Mit ihren Eltern ist sie oft in die polnische Heimat gefahren, und sonntags ging es zum polnischen  Gottesdienst in der Nachbarpfarrei. Aber die Leute da wurden auch immer älter, zuletzt kamen nur noch wenige. Der Pater konzentrierte seine Arbeit und feiert nun sonntags den polnischen Gottesdienst in einer anderen Stadt. Mara wurde Sprechstundenhelferin; ihr Mann, den sie heiratete, arbeitet als Tischler. Sie haben ihr Auskommen, zwei Kinder wurden ihnen geboren, der eine ist im Grundschulalter, die Ältere geht in die 7. Klasse eines Gymnasiums. Anfangs wohnten sie in einer anderen Siedlung  der Stadt. Als Maras Vater starb, kümmerte sie sich um ihre Mutter ; schließlich, als das Nachbarhäuschen frei wurde, zog sie mit ihrer Familie dorthin; so konnte sie besser für die Mutter da sein und die Kinder schon mal für eine Stunde dort lassen.

Die katholische Gemeinde ist klein geworden. Sonntags kommen eine Reihe älterer Frauen, einige Männer und ein paar Kinder zur Kirche. Der Pastor kommt aus einem anderen Stadtviertel.

Mara, die früher Jugendleiterin war und gerne Freizeiten mit Kindern und Jugendlichen leitete, weiß nicht, wie sie ihre Kinder in der Kirche beheimaten soll. Da gibt es noch ein paar Verbände, die allmählich aussterben: ein paar ältere Frauen  treffen sich zum Rosenkranz und nachher zum Kaffee, ein paar Männer kloppen dienstags Skat.

Mara sieht für sich und ihre Familie keine Perspektive in der Gemeinde. Oft denkt sie an die Besuche bei den Großeltern in Polen, wo die Kirchen voll waren, oder an ihre Zeit bei den Pfadfindern.

Sonntags gelingt es ihr oft nicht, ihre Kinder zum Gottesdienst mitzunehmen. Ihr Mann ist in einem Sportverein und sonntags oft unterwegs. Dann bleibt Mara auch zu Hause.

Mara ist wie Elija  mutlos,  ohne Elan, bald wird sie wie die anderen Frauen in der Siedlung nur noch gelegentlich bei Taufen, Beerdigungen oder Hochzeiten die Kirche besuchen.

Elija sagte: Es ist genug: nimm mein Leben, ich bin nicht besser als meine Väter; er legte sich unter den Ginsterstrauch und gab auf.

 „Doch ein Engel rührte ihn an und und sprach: Steh auf  und iß! Als er um sich blickte, sah er  neben seinem Kopf Brot … und einen Krug mit Wasser.“

Vor einigen Wochen zogen in die leerstehenden Häuser der Siedlung, wo Mara wohnt, Flüchtlinge aus dem Irak. Es waren Familien mit kleinen und größeren Kindern. Mara ging hin und wieder zu ihnen, zeigte ihnen, was sie fürs Erste wissen mussten. Ihr Mann  half  hin und wieder, eine Wohnung einzurichten.

 

Obwohl die Sprachbarriere groß war, bekam Mara heraus, dass viele der neuen Nachbarn assyrische Christen waren, andere gehörten zu der Volksgruppe der Jesiden.

 

Sie kam mit Caritasmitarbeiterinnen  ins Gespräch und erfuhr, dass die Christen gerne zum Gottesdienst gehen würden.

Es gab ein Treffen, bei dem Mara  und ihr Mann mit einem Dolmetscher der Caritas mehr über die neuen Nachbarn erfuhr; wie sie aus dem Irak vor dem IS fliehen mussten; dass sie sehr stolz auf ihren Glauben waren, denn sie sprechen im Gottesdienst noch aramäisch, die Sprache, die Jesus gesprochen hat.

Und auch zu den Jesiden bekam sie Kontakt, die von Muslimen verachtet und vom IS verfolgt wurden. Mara sah im Fernsehen  Sendungen, die das Leid der Jesiden zeigten.

An einem Sonntag  nahm Mara einige christliche Iraker mit in den Gottesdienst der Gemeinde, auch eine Dolmetscherin war dabei. Der Pastor begrüßte die Flüchtlinge und bat sie, doch die Lesungen auf aramäisch vorzulesen.  Am Schluss sangen sie auch ein armäisches Lied.

Das war der Beginn einer kleinen Revolution in der alt gewordenen Kirche. Die irakischen Familien mit ihren Kindern waren immer sonntags da, und jetzt kamen auch Maras Kinder gerne mit.

Das Brot der Gemeinschaft hauchte der kleinen  Gemeinde neues Leben ein.

Aber die Elija-Geschichte  geht ja noch weiter: Elija sollte sich nicht ausruhen , sondern einen Weg weitergehen.

Der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal, rührte ihn an und sprach: Steh auf und iß, sonst ist der Weg zu weit für dich. Da stand er auf, aß und trank und wanderte durch diese Speise gestärkt vierzig Tage und vierzig Nächte  bis zum Gottesberg Horeb.“

Es dauerte bei Mara und ihrer Familie auch eine Zeit, bis sie den Entschluss fasste, ihre müde gewordene Gemeinde total zu verändern. Sie sprach mit dem Pastor, der in der Nachbarge-meinde wohnte, sie suchte Kontakt zu einem Flüchtlingsarbeits- kreis in der Stadt; sie lud zu einem Treffen mit Deutschen und Flüchtlingen ein – und es entstand eine Idee.

In diesem Stadtviertel sollte neues Leben wachsen.

Die Gärten eigneten sich für kleine Feste, Männer besorgten ein paar Spielgeräte, einige Ältere beaufsichtigten die spielenden Kinder zweimal in der Woche.  Bei der Wohnungsbaugesellschaft erreichte die Initiative, dass ein Gemeinschaftsraum zur Verfügung gestellt wurde. Die Stadt bot Sprachkurse an, ein pensionierter Beamter half beim Ausfüllen von Anträgen, ging mit zu Behörden.

Christen und Jesiden fühlten sich als Gemeinschaft, die vieles  regeln konnte.

Und dann kam der Pfarrer eines Tages und fragte Mara, ob sie sich vorstellen könnte, mit anderen aus der Gemeinde, die jetzt auf einmal aktiv geworden waren, die Gemeinde am Ort noch mehr zu verändern. Da gebe es doch den Beamten, der vielleicht so ein bisschen die Koordination übernehmen könnte; Ob sie sich zutrauen würde, eine Fortbildung zu machen, um später die Gemeinde mit einigen anderen ehrenamtlich zu leiten.

Zuerst bekam Mara einen großen Schreck; sie traute sich das nicht zu.

Aber dann, es war wie heute der Sonntag, als die Elija- Geschichte gelesen wurde, konnte sie auf einmal nicht mehr ruhig bleiben.  Sie sah auf einmal wie in einem Traum Möglichkeiten , wie sie mit deutschen und ausländischen Christen neues Leben initiieren könnte; sie fand andere, die bisher auch resigniert hatten, Jüngere und Ältere. Die Caritas stellte zwei junge Erwachsene, die ein freiwilliges soziales Jahr machten; ein paar Studenten aus der Nachbarpfarrei interessierten sich für das Projekt.

Und es war nicht wichtig, ob jemand katholisch, evangelisch, Jeside oder aramäischer Christ war oder in gar keiner Kirche. Wer mitmachen wollte, war willkommen.