Geduld mit Vielfalt

zu Mt 13, 24-43

Mir ginge es genauso, wie Jesus es in dem Gleichnis beschreibt: wer nicht gerade Experte in Gartenbau und Landwirtschaft ist, kann kaum sagen, welche grünen Spitzen, die aus dem Boden sprießen, zu einer Nutzpflanze gehören oder zu Unkraut.

Und das will Jesus uns verdeutlichen: fällt nicht zu früh ein Urteil, wer gläubig oder ungläubig, wer einfühlsam oder hart, langsam oder schnell, konservativ oder liberal, verschlossen oder off Weizen passt in unsere Zeit, in unsere Kirchenerfahrung.

Die Älteren unter sind mit ganz bestimmten Regeln aufgewachsen, wie der Glaube zu leben ist: den Sonntagsgottesdienst besuchen, die Kinder taufen lassen, kirchlich heiraten, die eheliche Treue wahren …

Auch in der Vergangenheit hielten sich nicht alle Getauften daran; allerdings lebten sie dann oft mit einem schlechten Gewissen.

Heute finden wir in unseren Gemeinden junge und alte Menschen, die Regelmäßigkeit beim Gottesdienstbesuch anders verstehen, hin und wieder mal da sind, wenn sie danach Verlangen haben oder gelegentlich mit einem Freundes- oder Bekanntenkreis zusammen in die Kirche gehen; und nach Corona werden wir einen weiteren Schwund an regelmäßigen Gottesdienstbesuchern erleben: das Netz ermöglicht viele andere religiöse Mitmach-Formen.

Und dann sind – oft auch Woche für Woche – Menschen im Gottesdienst, die nicht kirchlich verheiratet sind oder geschieden und wieder verheiratet.

Fast in jedem Jahr taufen wir Kinder erst im Alter von acht, neun Jahren vor der Erstkommunion.

Evangelische Christen empfangen die Eucharistie, katholische Christen nehmen in evangelischen Kirchen am Abendmahl teil. Hin und wieder outen sich Menschen in unseren Gemeinden als homosexuell.

All diese Erfahrungen erzeugen unterschiedliche Gefühle und Beurteilungen: die einen sind bekümmert und empfinden schmerzlich Glaubensverlust bei Mitchristen; meinen, dass die so handeln, sich vom Evangelium entfernen, seine Strahlkraft verdunkeln und dazu beitragen, dass Kirche an Glaubwürdigkeit verliert.

Andere wiederum atmen auf, dass sie ihre Gewissensentscheidung offen in den Gemeinden leben können, ohne schief angeguckt zu werden; dass Kirche pluraler wird und unterschiedliche Formen toleriert, den Glauben zu leben.

Für wieder andere ist die Kirche eher ohne Bedeutung; sie kommen mit ihr nur noch in Berührung bei Taufen, Erstkommunion, Hochzeit und Beerdigung.

Jesus spricht die Gleichnisse vom Unkraut unter dem Weizen, vom Senfkorn und vom Sauerteig auch in unsere Zeit, wenn sie in der Kirche gelesen werden.

Ich frage mich, was er uns damit sagen, wie er heute seine Kirche haben möchte.

Ich denke, wir können diesen Gleichnissen ein paar Hinweise entnehmen.

Einmal – wie schon gesagt – gilt es, vorsichtig und zurückhaltend zu sein in der Bewertung von Gläubigkeit.

Die Lebens- und Glaubensgeschichten, die Gründe, die zu einem bestimmten Verhalten führen, sind vielfältig und meist Außenstehenden verborgen. Wir wissen doch auch in anderen Fragen der Lebensführung um Brüche in Biographien; um lange Phasen, in denen Menschen merkwürdige und oft abschüssige Wege gehen; um Momente des Innehaltens, der Umkehr, der Suche nach neuer Lebensorientierung.

Deshalb sagt uns Jesus: Wartet ab, wie Menschen sich entwickeln, sich verändern, auf einmal neu den Glauben für sich entdecken. Immer wieder hören wir bei heute engagierten Gemeindemitgliedern von solchen Lebensphasen.

Empfangt alle Menschen, die kommen, mit Herzlichkeit, Geduld, unaufdringlicher Begleitung.

Begleitet sie mit Eurem Gebet, bedrängt sie nicht, aber bleibt in der Nähe und gebt hin und wieder, wenn es sich ergibt, Denkanstöße; ladet sie ein dabei zu sein, wenn Ihr euch zwanglos trefft, wenn ihr feiert, auch mal zu Gottesdiensten. Und habt das Vertrauen, das ER wirkt, der Menschen die Sehnsucht nach dem „mehr“ ins Herz gegeben hat.

Das zweite Gleichnis lenkt unseren Blick auf den Anfang, der unscheinbar ist, aus dem Großes werden kann. Denken Sie einmal nach, welche kleinen Anfänge Sie schon erlebt haben, aus denen etwas erwachsen ist, was sich durchaus sehen lassen kann im persönlichen oder beruflichen Leben, im gemeindlichen Miteinander.

Und das dritte Gleichnis ermutigt uns, uns einfach mit unserer ganzen Eigenart zur Verfügung zu stellen; mit dem, was wir vom Glauben verstanden haben; es sagt uns: wie ein wenig Sauerteig das Ganze durchsäuert, so dürfen wir hoffen, dass unser Bemühen, die Kraft, die wir in ein Engagement, in ein Projekt stecken, nicht vergeblich sind, sondern Wirkung zeigen.