Stille – power zum Glauben und aussteigen

zu 1 Kön 19, 9-13 und Mt 14,22-33

Es ist laut in unserer Welt. Sie fahren mit dem Auto in die Stadt, neben Ihnen schallt aus dem Fenster eines Wagens überlaut das neueste Pop-Programm. Ihre Kinder sind mal zu Hause; Sie hören es schon, als Sie zur Haustür hineinkommen, die Musikanlage ist „voll aufgedreht“.

Die Geräuschkulisse bei Auftritten von Bands, in Diskotheken ist so hoch, dass Sie sich nicht unterhalten können.

Sie gehen auf einen Sprung zu den Nachbarn; da läuft der Fernseher – und er wird auch nicht abgestellt, während Sie sich unterhalten. Die Gedanken schweifen zwischen Gespräch und Fernsehsendung hin und her.

Selbst wenn Sie abends im Garten sitzen und es in den Nachbarhäusern ruhig geworden ist: das unentwegte Rauschen der Wagen auf der nahen Autobahn bleibt.

Unsere Welt ist laut geworden.

Da ist es schwer, Gottes Stimme zu hören, IHM zu begegnen. Denn er begegnet in der Stille. Weder im Sturm, der polternd Steine und Geröll mitreißt und Bäume krachend entwurzelt, noch im Erdbeben noch im zerstörenden Feuer erscheint Jahwe dem Elija, sondern in einer unendlich zärtlichen Berührung, in einem Augenblick der Stille, wo der Mensch sich öffnet und ganz Ohr wird.

Wie kann da einer heute überhaupt noch Gott erfahren?

Während die Bibel des Alten Testamentes oft Gotteserfahrungen regelrecht als ‚event‘ tradiert, scheint sich mit Jesus eine andere Zugangsweise zu Gott zu eröffnen; und die auch im Neuen Testament noch enthaltenen überwältigenden Erscheinungen sind wohl nur noch überlieferte Bilder einer überholten Tradition. Allerdings, die Erfahrung des

Elija ist zeitlos, und die Lebenslinie des Jesus von Nazaret geht eindeutig diesen unscheinbaren, verborgenen, unspektakulären Weg.

Den längsten Teil seines Lebens verbringt Jesus unauffällig in dem kleinen Städtchen Nazaret. Und auch während der Jahre, in denen er als Rabbi durch das Land zieht, lebt er einen einfachen Stil, lebt er von der Hand in den Mund, zieht sich immer wieder in die Stille zurück, redet von Gott in sehr leiser, zärtlicher Sprache. Die Grundverfasstheit seines Lebens atmet so sehr diese Einfühlsamkeit, Zuwendung zu den Kleinen und und Geringen, dass die Theologie der Evangelisten und der frühen Gemeinden darin die Stärke und Glaubwürdigkeit des Messias erblickt:

Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen, er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn über alle erhöht.“

Da entsteht auch schnell die Überzeugung, dass Gott sich in besonderer Weise unter den Schwachen, den Kranken und Armen finden lässt.

Wenn Gotteserfahrungen seit Jesus eher in leisen, verborgenen Zeichen geschehen, dann haben wir zu fragen, wie wir die Offenheit und die Bereitschaft dafür, dass sie uns geschenkt werden, verstärken können.

Das Evangelium fügt dann noch eine zweite Anfrage hinzu.

Wie steht es um die Bereitschaft, der Stimme Gottes zu folgen, wenn sie zu mir durchgedrungen ist?

Angst, Schwanken, den Boden unter den Füßen verlieren – das ist doch Glaubens-und Gemeindesituation heute.

Jesus sagt zu Petrus: „Komm!“ Er streckt uns die Hand entgegen. Nicht w i r müssen machen, ER wird uns führen.

Erst aber müssen wir aus dem Boot aussteigen, die Sicherheit aufgeben, die uns das Boot garantiert.

Schon in der Frühzeit des Christentums wird die Kirche mit dem Boot verglichen, das oft von wilden Wellen hin und her geworfen wird. Und Sie kennen die andere Erzählung vom Sturm auf dem Meer, wo die Jünger verzweifelt gegen das Kentern kämpfen, Jesus aber auf einem Kissen im Boot schläft. Als sie ihn wecken, gebietet er dem Meer, und es tritt vollkommene Stille ein. Und er fragt sie: „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“

Heute höre ich aus dieser Erzählung: der Glaube an Jesus besteht darin, aus dem Boot auszusteigen und auf ihn zuzugehen.

Also: die vertrauten Gewohnheiten ablegen; Gottesdienst, Gemeindeleben, Verkündigung, Caritas neu zu entwickeln, darauf zu setzen, dass ER schon längst auf dem brodelndem Meer da ist, mitten in den gesellschaftlichen Zerwürfnissen, den Ängsten, den gewaltsamen Konfrontationen, den solidarischen Hilfen jetzt wieder in Beirut. Er wartet schon längst, dass wir aussteigen und mit ihm den Menschen nahe sind, die keine Hoffnung mehr haben.