Stimmen von weither hören

Mt 24,37-44

Wir merken immer deutlicher, dass die Ressourcen, die unseren Wohlstand garantieren, abnehmen; dass Verteilungskämpfe um Wasser, Energieträger, Rohstoffe zu riesigen Wanderungsbewegungen führen. Menschen flüchten schon längst nicht nur wegen Krieg, Terror und Verfolgung. Viele von denen, die in Europa nach der Odyssee übers Mittelmeer ankommen, sind geflohen, weil sie in ihrem Land keine Zukunftsperspektive sehen: Hunger, Armut, mangelnde Schulbildung, Arbeitslosigkeit treiben sie voller Hoffnung aus Afrika in das reiche Europa oder aus Mittelamerika in die USA.

Was für Menschen braucht die Welt?

Einmal brauchen wir, denke ich Politiker, die nicht nach dem Motto „Our country first“ agieren, sondern in Kooperation mit anderen Ländern bindende Verträge schließen, um die Klimaerwärmung zu begrenzen, aus der fossilen Energiegewinnung auszusteigen; die mutig auch gegen populistische Gegenwehr etwa gemeinsam mit den Ländern Europas vielleicht auch schmerzende Veränderungen bewirken. Menschen, die die

Vision des Jesaja in der ersten Lesung nicht als Fata Morgana ansehen, sondern als Bild für eine Weltordnung, die tatsächlich realisiert werden kann.

Vielleicht müssen es Menschen sein wie Noah, die sensibel sind wie Seismographen für die Erschütterungen in unserer Gesellschaft, für Veränderungen im gesellschaftlichen Denken und Zusammenleben.

Menschen, die ihre Kinder und Enkel bewahren wollen vor der immer stärker brandenden Flut des Konsums; den Kommunikationsmitteln, die immer undurchschaubarer werden; vor dem Lärm, der innere Stimmen überhören lässt.

Dem Noah wurde irgendwann sonnenklar: jetzt kannst Du nicht mehr mitmachen in dem eindimensionalen Kreislauf von „geboren werden – arbeiten – zusammenraffen – heiraten – genießen“. Noah hört Stimmen; er scheint verrückt, weil er diesen Stimmen traut, er beginnt einen Zufluchtsort zu bauen, eine Arche, deren Bauplan ihm vorgegeben wird.

Auch wenn er es noch nicht vollkommen klar hat, er schreibt die Stimme seinem Gott zu – und vertraut ihm, dass er ein

rettender Gott ist.

Vielleicht brauchen wir „Archen“, in die wir uns eine Zeit lang zurückziehen können, um uns selbst wieder zu finden und wieder Stimmen hören zu können, die von ganz weither kommen.

Was für Menschen braucht die Kirche ?

Interessant, dass die Bibel immer wieder von Stimmen berichtet, die Menschen gehört haben; von Engeln, die ihnen erschienen sind. Ihr Leben veränderte sich total.

Noah entkam der Flut, Abraham gewann neues Land, Mose gelang Befreiung aus der Sklaverei, Samuel einte das Volk, Elija verteidigte seinen Gottesglauben, die Propheten waren Stachel in Zeiten der Mutlosigkeit und entwarfen Visionen, die müde Gewordene aufstehen ließen. Maria und Josef gaben dem letzten Rettungsversuch Gottes eine Chance, und die Freunde und Jüngerinnen Jesu bauten die Arche, die bis heute Menschen sammelt und ihnen volles Leben ermöglicht. Kirche nennen wir diese Arche.

Was für Menschen braucht die Kirche heute?

Vielleicht sind es Menschen, die einfach bei den Armen sind, bei Randständigen, Hilflosen, Ausgebeuteten; Ehrenamtliche, die nichts anderes tun, als Zeit zu teilen mit Ratsuchenden, mit Kranken, mit Einsamen, mit Menschen,die von Beruf, Familie, Pflege der Eltern, Ansprüchen der Kinder ausgelaugt sind.

Vielleicht braucht die Kirche junge Hauptberufliche und Ehrenamtliche, die eine neue Sprache sprechen, wenn sie ihren Glauben bezeugen; die nicht fordern, sondern anbieten, die eher mit auf die Suche gehen als vorangehen.

Vielleicht Menschen, die Ruhe, Geduld und Ausdauer ausstrahlen, wo alle nach schnellen Erfolgen gieren.

Vielleicht braucht es Lehrmeisterinnen und Lehrmeister der

inneren Gelassenheit, die zur Stille führen und so das Hören der Stimmen ermöglichen, die von weither kommen.