„Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“
Eigentlich alles klar: was der Staat regelt, haben alle Bürgerinnen und Bürger anzuerkennen und zu befolgen. In das, was die Religionen, die Kirchen regeln, hat der Staat nicht hinein zu reden.
Nur: so einfach ist es doch nicht.
Der Text des Evangeliums zeigt eine Spannung auf, die gerade jetzt in der Corona-Pandemie zu Verwerfungen in unserer Gesellschaft führt. Da streiten Demonstranten ohne Schutzmasken und Abstand gegen die Einschränkungen ihrer Freiheit; da feiern Menschen Parties, die sich schnell als Hotspots erweisen.
Andere fordern dagegen noch weitere Beschränkungen, ja sollen sogar Mitbürger denunzieren, die sich nicht an die staatlichen Regeln halten.
Was meint Jesus eigentlich mit seiner Antwort. „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört“?
Ich höre aus diesen Worten heraus: Weder dürfen sich Staat oder andere von Menschen geschaffene Einrichtungen wie Parteien oder auch Ideologien zu „Gott“ machen und den Menschen restlos vereinnahmen, absoluten Gehorsam fordern und das Leben der Gemeinschaft wie der Einzelnen in allen Bereichen zu bestimmen suchen.
Eine Christengemeinde etwa hat den Eindruck gewonnen:
es ist eine unzumutbare Härte, wenn eine Flüchtlingsfamilie mit kleinen Kindern, die schon Jahre lang in unserem Land lebt, abgeschoben werden soll – dann gewährt sie diesen Menschen „Kirchenasyl“ gegen deutsches Recht. Und in den meisten Fällen wird das vom Staat respektiert.
Grundwerte konkurrieren da miteinander: Das Eintreten von Christen für Hilfsbedürftige und das Gesetz des Staates, der sein Flüchtlingsproblem lösen will.
Oder: nach dem zweiten Weltkrieg, als Deutschland in Trümmern lag und die Menschen kaum etwas zu essen hatten und im kalten Winter froren, erlaubte Kardinal Frings von Köln, die Kohle von den Güterzügen zu „stehlen“, die ins Ausland gebracht werden sollte.
In Lateinamerika waren Bischöfe in Dürre- und Hungerperioden damit einverstanden, dass die Hungernden Supermärkten
plünderten.
Und in der Zeit des Nationalsozialismus planten Widerstands-kämpfer Attentate gegen Hitler, weil der Staat Menschenrechte verletzte und jüdische Bürger umbrachte.
Da kann nicht mehr gelten: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört.“
Nun hat Jesus aber dem ersten Halbsatz einen entscheidenden zweiten hinzugefügt: „Gebt Gott, was Gott gehört!“. Da ist für Christen die Rangfolge klar. Es kann aber auch sein, dass Religionen, Kirchen ihre Vorstellungen allen aufdrücken wollen, die gar nicht zu ihnen gehören: die Geschichte unserer Kirchen enthält viele schlimme Erinnerungen daran. Und auch Inquisition und Hexenverbrennungen der Vergangenheit zeugen wie der ‚Islamische Staat‘ heute von solchen Grenzüberschreitungen: da kann man nicht sagen:
„Gebt Gott, was Gott gehört.“
Anzuerkennen, dass es nichtchristliche Gruppen gibt, die auf anderen Wegen und aus anderen Motiven dieselben Ziele wie wir verfolgen, fällt auch heute noch schwer. Und wenn sie manchmal noch engagierter und kraftvoller als wir selber erscheinen, dann wird der Trend nach Abschottung spürbar.
Christen müssen durchaus ein Stück Distanz zur Welt halten, in der sie leben, „Fremde“ bleiben und dürfen sich nicht der Welt gleichförmig machen, wie Paulus es nennt. Dann wird es aber durchaus auch in demokratischen, freiheitlichen Staatsformen Konflikte geben.
Was mir notwendig erscheint: Respekt gegenüber staatlichen Regeln und Dialogbereitschaft von allen Seiten, immer wieder über Freiheit und Einschränkungen im Gespräch zu bleiben; denn die Freiheit der Einzelnen hör da auf, wo die Freiheit der anderen beginnt.