zu Ez 33,7-9 und Mt 18,15-20
Nach jeder Taufe wird dem Täufling ein Kreuz mit dem Chrisam auf die Stirn gezeichnet.
Dabei spricht der Taufende:
„Aufgenommen in das Volk Gottes wirst du nun mit dem heiligen Chrisam gesalbt, damit du für immer ein Glied Christi bleibst, der Priester, König und Prophet ist in Ewigkeit.“
Wenn ich die Lesung heute höre, dann ist da doch sehr deutlich vom Auftrag des Propheten die Rede:
„Du Mensch, ich gebe dich dem Haus Israel als Wächter. Wenn du aus meinem Mund ein Wort hörst, musst du sie vor mir warnen.“
Propheten legen den Finger in die Wunde, sagen klar und deutlich, was richtig und was falsch ist, fordern Gerechtigkeit ein und Solidarität.
Wir werden aufgefordert, uns einzumischen, gegen Beliebigkeit Werte zu setzen, die für uns wichtig sind und die zu beachten uns für das Zusammenleben einer Gesellschaft unerlässlich erscheinen.
Wir hören von deutlichen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei, in China, in Russland, in Belarus, ja sogar in den USA, wenn wir die Rassenunruhen genauer anschauen.
Pressefreiheit ist in manchen Ländern Makulatur.
Wir beklagen noch immer unmenschliche Wohnverhältnisse von Leiharbeitern, Abschiebungen von Flüchtlingen nach vielen Jahren.
Christinnen und Christen dürfen keine Duckmäuser sein, haben sich zu Wort zu melden, auch wenn sie nicht verstanden oder angegriffen werden.
Das gilt natürlich auch innerhalb unserer eigenen Kirche.
Wenn die Bischöfe den Dialogprozess ehrlich wollen, dann dürfen auch Fragen nicht ausgeklammert werden, bei denen viele Katholiken grundsätzliche Bauchschmerzen haben:
bei der Frage des Zölibates, der Frauenordination, der wiederverheiratet Geschiedenen, bei der sexuellen Prägung.
Und können nicht auch Laien Gemeinden leiten, damit die Großpfarreien in kleine überschaubare Gemeinschaften unterteilt werden können?
Da werden Prophetinnen und Propheten gebraucht, die sich einmischen. Aber oft ist das „wie“ wichtiger als das Unrecht anzusprechen.
Da gibt uns das Evangelium sozusagen eine Strategie an die Hand.
Erst einmal, sagt Jesus, sollten wir nicht über Andersdenkende reden, sondern das Gespräch mit ihnen suchen: zuhören, welche Gründe sie für ihre Ansicht vorbringen; nachfragen, ob wir es auch richtig verstanden haben; die eigene Meinung aussprechen und nachfragen, wie sie aufgenommen wird.
Dann, wenn wir merken, dass das Gespräch stockt, dass Gegensätze bleiben, einige andere Personen ins Gespräch einbeziehen ( womöglich könnte jede Seite Menschen ihres Vertrauens ansprechen ).
In diesem Kreis können leichter Differenzierungen erfolgen; jede und jeder drückt das ja anders aus, was er oder sie denken. Das kann Gegensätze relativieren.
Manchmal gibt es auch in dem kleinen Kreis keine Verständigung, die Fronten sind verhärtetet; da schlagen sie einander immer nur dieselben Argumente um die Ohren.
Dann rät das Evangelium, die Streitfrage auf die Ebene der Gemeinde zu bringen.
Ist da heute vielleicht der „Synodale Prozess“ gemeint, wo Bischöfe, Vertreter der verschiedenen Laienorganisationen, Fachleute und gewählte Vertreter auf Deutschland-Ebene die großen Fragen diskutieren und nach Lösungen suchen?.
Der „Synodale Prozess“ ist eine Chance, sehr deutlich die Erwartungen der deutschen Kirche auch gegenüber dem Vatikan zu artikulieren; zu fordern, das die regionalen Kirchen viele Entscheidungen selber treffen, wenn es sich nicht um Glaubenswahrheiten, sondern um rein kirchenrechtliche Regelungen handelt.
Da wird der Heilige Geist allerdings noch eine Menge Arbeit haben.
Aber wir dürfen hoffen, das ER es ist, der am Ende neue Wege für die Kirche eröffnet.